Mittwoch, 20. Januar 2021

 Causa BAC: Persilschein und Bankenklage 


Ausgerechnet der schärfste Kritiker des Emissionshauses BAC, die Abkürzung steht für Berlin Atlantic Capital, stellt den Berliner US-Lebensversicherungshändlern jetzt einen Persilschein aus. 

Alle Vorwürfe, die von dem wegen Untreue gefeuerten BAC-Chef Oliver Schulz aus Berlin Grunewald in einer zunächst anonymen Strafanzeige im Juni 2011 gemacht wurden und die am 20. September 2011 zu einer Hausdurchsuchung der Berliner Staatsanwaltschaft in der Firmenzentrale und an den Privatanschriften der Manager führte, seien "Risiken der Beteiligung, die im Fondsprospekt auf mehreren Seiten explizit dargestellt sind", fand nun Rechtsanwalt Michael Minderjahn von der Kanzlei Nittel aus Heidelberg heraus. 

Deshalb wolle er wegen der ersten, erfolglos verstrichenen Frist (31. August 2011) zur Ablöse eines von der Wells Fargo Bank fällig gestellten Kredites in Höhe von 225 Millionen US-Dollar für 8 von der Bank beschlagnahmte Life Trust Fonds nun nicht das BAC-Management zur Verantwortung ziehen, sondern die Banken wegen Falschberatung zur Rückzahlung der Einlagen zwingen. Denn, nicht die Prospekte und das prospektgemäße Vorgehen waren falsch, sondern eine fehlende Weitergabe der Prospektinformationen an die Anleger vor Zeichnung und Finanzierung der Fondsanteile. 

Konkret habe die Kanzlei Nittel im Auftrag von mehreren BAC-Anlegern gegen die Sparda Bank München und die Karlsruher BBBank Klagen eingereicht.



Minderjahn verkündet in einer Pressemitteilung vom 24. September 2011 dazu: 

Zitat:


Falschberatung der Anleger nicht die Ausnahme sondern der Regelfall! 

Zahlreiche unserer Mandanten, denen sowohl durch Genossenschaftsbanken wie die Karlsruher BBBank oder die Sparda Bank als auch durch nicht bankgebundene Vermittler wie die Telis zur Zeichnung der BAC Life Trust Fonds geraten wurde, haben uns mit der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen beauftragt. Gegen die Sparda Bank München und die BBBank sind bereits Klagen eingereicht. 

In vielen Fällen konnten wir eklatante Fehler bei der Beratung feststellen, mit denen Schadenersatzansprüche gegen die beratenden Banken begründet werden können. 

 So fand in der Regel nur eine Beratung statt, in der die Risiken der Beteiligung, die im Fondsprospekt auf mehreren Seiten explizit dargestellt sind, nicht erörtert wurden. 

 Der Prospekt wurde in den allermeisten Fällen erst bei Zeichnung übergeben, so dass die Anleger keine Möglichkeit hatten, den Prospektinhalt, insbesondere die Risikohinweise vor der Unterschrift unter den Zeichnungsschein zu lesen. 

 In keinem uns bekannten Fall hat die beratende Bank darauf hingewiesen, dass sie Provisionen, so genannte kickbacks erhält, wenn der von ihr beratene Anleger die Fondsbeteiligung zeichnet. Über den daraus resultierenden Interessenkonflikt zwischen objektiver Beratung und dem Ziel, Provisionsumsatz zu generieren, wurden die Anleger nicht aufgeklärt. 

 In einigen der uns bekannten Fälle wurde die Beteiligung am BAC Life Trust Fonds als sichere Anlage angeboten, bei der insbesondere keine Verlustrisiken bestünden. Eine Aussage, die sich nun als falsch herausstellt.


Das sind von der Kanzlei Nittel ganz neue Töne 

Denn noch am 21. Juni 2011, als der Kanzlei die anonyme Strafanzeige (die sich später vom gefeuerten BAC-Chef Oliver Schulz herausstellte) zeitgleich mit der Staatsanwaltschaft zugespielt wurde, in der von Flucht der Manager die Rede war, obwohl die BAC nach Auslaufen des zehnjährigen Mietvertrages einfach nur planmäßig von der Gormannstraße 22 in Berlin Mitte zum Potsdamer Platz 11 nach Berlin Tiergarten umgezogen war, riet Rechtsanwalt Michael Minderjahn den 8.000 möglichen betroffenen Anlegern dringend dazu, sich der anonymen Strafanzeige anzuschließen. 

Minderjahn resümierte damals: "Wenn die Behauptungen des anonymen Anzeigeerstatters sich auch nur ansatzweise belegen lassen, haben wir mit unserem Rat, den Life Trust-Fonds kein frisches Geld zuzuführen, vollständig Recht gehabt." 

In der Strafanzeige, so gab damals die Kanzlei Nittel bekannt, wurde der BAC vorgeworfen, "der Anzeigeerstatter behauptet, Verantwortliche der BAC hätten den Neuabschluss von Versicherungen initiiert, die dann später von den Fonds übernommen worden seien, so dass die Fonds womöglich wenigstens mittelbar schon von Anfang an die Versicherungsprämien getragen haben." 

BAC-Geschäftsführer Franz-Philippe Przybyl stellte nicht nur gegenüber der Staatsanwaltschaft, sondern auch öffentlich in einem Interview mit dem Finanznachrichtendienst GoMoPa.net klar, dass es geradezu gewollt gewesen sei und zur "Grundlage des Geschäftsmodells" gehört habe, dass ein Fonds selbst US-Lebensversicherungen initiierte und diese werthaltigen Policen dann an den nächsten BAC-Fonds verkaufte, der mit diesem Gegenwert im Portfolio wiederum neue Policen initiieren oder auf Kredit kaufen könnte. 

Das sei in einer Zeit, wo es auf dem US-Markt an werthaltigen Lebensversicherungspolicen mangelte, überlebenswichtig gewesen, um ein Handelsportfolio aufbauen zu können, das man einem Dritten mit Gewinn verkaufen könne. Andere deutsche Lebensversicherungsfonds hätten nicht das Glück gehabt, auf werthaltige Policen zugreifen zu können. Das alles sei aber in den Prospekten ausführlich beschrieben worden. 

Przybyl sagte unter anderem wörtlich: "Genau dieser Sachverhalt wird in den Life-Trust-Prospekten beschrieben und wurde von uns wiederholt in der Presse, bei Konferenzen und Anlegern kommuniziert. Die marktgerechte Bewertung und Übertragung zwischen Fonds vor Schaffung des Life Trust Asset Pools zur Portfolio-Optimierung ist prospektgemäß. So konnte auch bei überhitzten Märkten der Zugriff auf werthaltige Policen gewährleistet werden. 

Falsch ist darüber hinaus, dass Policen nicht als Teil des Finanzierungspakets der Wachovia ? heute Wells Fargo ? akzeptiert worden sind. Sämtliche Policen haften als Sicherungseigentum für das aufgenommene Darlehen. Einzelne Policen mussten aus regulatorischen Gründen direkt auf Life Trust 14 übertragen werden. Voraussetzung für diesen Schritt war die Genehmigung der Bank." 

Die Kanzlei Nittel bestätigte auf Nachfrage von GoMoPa.net, dass die Unschuldsvermutung gelte. Rechtsanwalt Minderjahn teilte GoMoPa.net mit: "Ob die aufgestellten Behauptungen tatsächlich so richtig sind, wird sich erweisen. Bis dahin gilt ja bekanntlich die Unschuldsvermutung." 

Als dann am 20. September 2011 die Staatsanwaltschaft bei der BAC anrückte - und zwar wegen des Vorwurfs, dass ein Fonds an den anderen Fonds verkauft hätte und nicht an Dritte - meldete Minderjahn, dass er den BAC-Vorstand Przybyl noch drei Wochen zuvor auf den Gesellschafterversammlungen dabei erwischt habe, das Przybyl den Vorwurf zugegeben habe. 

Minderjahn schrieb einen Tag nach der Razzia: "Insbesondere Franz-Philippe Przybyl hatte im Rahmen der letzten Gesellschafterversammlungen auf Nachfrage ausdrücklich bestätigt, dass es einen Policen-Handel zwischen den Fonds gegeben habe." 

Allerdings musste Minderjahn schon im nächsten Absatz zugeben, dass das durch die Prospekte gedeckt gewesen sei. 

Minderjahn bescheinigte der BAC: "Liest man allerdings die Prospekte, so müssen die Anleger davon ausgegangen sein, dass die so genannte Generierung von Versicherungspolicen auch, aber nur am Rande getätigt werden sollte." 

Dennoch wirft der Rechtsanwalt dem BAC-Management vor: "Nach den uns vorliegenden Dokumenten gibt es dringenden Anlass zu der Befürchtung, dass kein einziger Life Trust Fonds jemals auch nur eine einzige Police an einen externen Dritten, also am Markt veräußern konnte.? 

Selbst wenn nun nach Minderjahns Befürchtung der geplante Verkauf der Policen an Dritte nicht von Erfolg gekrönt gewesen sei, mag man das als Schwäche des Managements auslegen. Aber der Handel mit Lebensversicherungen ist wie jeder Handel mit Risiken behaftet, die auch in den Prospekten ausgewiesen seien. 

Das hat Minderjahn nach dem gründlichen Studium aller Prospekte der betroffenen Life Trust 2, 6, 7, 8, 10, 11, 12 und 14 nun wohl drei Tage später selbst festgestellt, wenn er von "Risiken der Beteiligung, die im Fondsprospekt auf mehreren Seiten explizit dargestellt sind", spricht und anstelle der BAC-Manager die Banken verklagt, die finanziert und offenbar falsch beraten hätten. 

Financial Times Deutschland schrieb über BAC, ohne wirklich zu recherchieren 

Die Gruner+Jahr-Finanzjournalistin Renate Daum aus Frankfurt ersparte sich einen prüfenden Blick in die Fondsprospekte und veröffentlichte einen Tag nach der Razzia bei der BAC die Einschätzung: "Das Emissionshaus Berlin Atlantic Capital (BAC) steht im Zentrum eines möglichen Anlagebetrugs." Dem Hinweis des BAC-Anwalts, den Daum damit zitiert, dass die Ermittlung auf eine Strafanzeige eines Ex-Managers beruhe, die Vorwürfe unbegründet und widerlegbar seien, geht Daum nicht auf den Grund. 

Lieber gibt Daum in ihrem Artikel den Vorwürfen von Oliver Schulz breiten Raum, obwohl die Verkäufe der Policen untereinander im Prospekt vorgesehen waren. Und obwohl Schulz genau die gleichen Vorwürfe schon mal vor einem US-Gericht vorgebracht hatte und dann aber wenig später eidesstattlich widerrief. 

Nun hat Schulz im August 2011 zwar behauptet, er habe den Vorwürfen gegen die BAC nur widersprochen, um zum Gefallen der Anleger vom Gericht eingefrorene Gelder freizubekommen. 

Aber selbst, wenn man Schulz diese Erklärung abnehmen wollte, verliert Schulz nun restlos seine Glaubwürdigkeit, wenn man weiß, dass die Vorwürfe des Policenverkaufs untereinander gar nicht einmal von ihm selbst stammten und er gegen diese Vorwürfe selbst schon einmal gekämpft hatte. 

PR-Profi Michael Oehme, BAC Berater für Kommunikationsfragen, erinnert sich, dass es im Jahre 2008 zu einem Streit zwischen dem inzwischen verstorbenen Heinz Gerlach (Direkter Anlegerschutz) und BAC gekommen sei. Gerlach, der dafür bekannt war, Vorwürfe zu erfinden, um Emittenten mit einer teuren Prospektvoruntersuchung "zur Ader zu lassen" (Spiegel: "Ruhe oder Rufschädigung"), warf damals BAC vor, deren Fonds-zu-Fondsgeschäft seien ein Schneeballsystem. Ohne einen Beweis dafür anzutreten. 

Oehme, als langjähriger Kenner der Szene, weiß noch ganz genau: "Es war CFO Schulz (die Stelle des Chief Financial Officer war extra für Schulz bei der BAC geschaffen worden - Anmerkung der Redaktion), der seinerzeit die Auseinandersetzung mit Gerlach führte und deshalb natürlich auch glänzend informiert war. Damals vertrat Schulz exakt die hundertprozentige Gegenmeinung wie heute. Entweder muss Schulz seinerzeit genau gewusst haben, dass an den Vorwürfen nichts dran sein konnte - oder Oliver Schulz hat damals (wieder einmal?) nicht die Wahrheit gesagt. 

Die damalige Auffassung von Schulz gegen Gerlach wird aus dem Umfeld der Berlin Atlantic Capital GmbH wie folgt kommentiert: 

Die Vorwürfe sind reine Public Relation. Juristisch reduziert sich die Angelegenheit auf einige recht simple Fragen: 

A.: Konnte ein Fonds vom andern Policen kaufen? (Anmerkung der Redaktion: Ja!) 

B.: Handelte es sich bei den dabei erzielten Abgabepreisen um marktübliche Preise, entsprechend den Investitionskriterien? 

C.: Durften weitere "BAC-Unternehmen" dafür Gebühren in der prospektierten Größenordnung nehmen (Anmerkung der Redaktion: Durften und haben sie)? 

Dieser Argumentation folgend war also genau der beschriebene Ablauf, der BAC nunmehr das Genick brechen soll, das eigentlich gewollte Geschäftsmodell und wurde von den Prospektangaben gedeckt. Das Drittfirmen aus regulatorischen und steuerlichen Gründen notwendig sein können ist bekannt. Sobald diese keine bedeutende, wirtschaftliche Rolle gespielt haben ist dagegen nichts einzuwenden. 

Im Übrigen: 

soll es sich bei der ganzen Sache nur um nur 5 Prozent des LTAP-Portfolios (23 von über 450 Policen) handeln. Der Abverkauf und damit Handel des kompletten Porfolios in den Kapitalmarkt war sowohl mit Wachovia als auch Wells Fargo vereinbart und vorbereitet. Mehr wurde von BAC auch zu keinem Zeitpunkt kommuniziert. 

In der kommenden Woche nun will BAC den Sachverhalt unter Einschaltung weiterer Gutachter komplett für die Staatsanwaltschaft aufbereiten. Die Sache bleibt höchst spannend.

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